Manchmal hat man es schon echt schwer so als Buchliebhaber. Noch viel schlimmer ist es, wenn man Hersteller ist, denn dann wird man selbst in der Buchbranche manchmal einfach nicht verstanden. Umso lustiger ist es, wenn sich zwei Hersteller unterhalten oder sogar unterwegs auf Bücherjagd sind. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass ich genug Menschen in meinem Freundeskreis habe, die mich voll und ganz verstehen. Für Außenstehende kann das aber ziemlich überfordernd sein, weswegen ich mit diesem Beitrag einen kleinen Faktencheck hinter den Kulissen machen möchte. Solltet ihr kein Hersteller sein, wird euch das ein oder andere vielleicht spanisch vorkommen … keine Sorge, müsst ihr wirklich nicht verstehen, einfach nur schmunzeln! 😉
Fakt 1: Der Beruf des Herstellers ist weitgehend unbekannt und vollkommen missinterpretiert. Oh ja! Und mit diesem Dilemma muss man sich eben auch immer wieder herumärgern. Also ein für alle mal: JA, im Verlag gibt es noch andere Berufe als nur der des Lektors. NEIN, ein Hersteller druckt und bindet keine Bücher, sondern ist die letzte Instanz vor der Druckerei. Dann wäre dies direkt zu Anfang geklärt …
Fakt 2: Während andere Menschen schreien, wenn Justin Bieber wieder mal single ist oder sich totaaal über Kylie Jenners neues Instagram Bild freuen, bekommen wir Hersteller einen Fangirl-Anfall, wenn die Grafikerin unserer Lieblingsbücher unsere Instagram Seite verfolgt. Jap, echt jetzt!
Fakt 3: Veredelungen sind des Herstellers Droge! Da kann es schonmal echt schwierig sein mit einem Hersteller durch den Buchladen oder über die Buchmesse zu laufen. Fast wie im Kindergarten werden hier ständig Sätze wiederholt. Zum Beispiel „Oh wie schön, das Cover wurde mit Relieflack veredelt“, „Schau dir diese wunderschöne Heißfolienprägung an!“ oder auch beliebt „Schau mal Halbleinen!!“
Fakt 4: Die Folge von Fakt 3 ist, dass Hersteller alles angrabschen müssen. Ich meine hier natürlich Bücher! Alles was besonders aussieht, ein tolles Material hat und eben veredelt ist, wird in die Hand genommen und von allen Seiten angefasst und gestreichelt. So einfühlsam sind wir eben.
Fakt 5: Solltet ihr einem Hersteller einmal ernsthafte Schmerzen zufügen wollen, braucht ihr kein Folterinstrument. Hier reicht es völlig aus, wenn ihr uns die Schriftart „Comic Sans“ oder auch ein „Word Art“ vorlegt. Bah! Weiche von mir böser Geist!
Fakt 6: Hersteller haben ihre eigene Sprache. Und nein, die kann man nicht erlernen, die muss man leben! Hier zur Erleichterung ein kleine Übersetzung wichtiger Sätze im Leben eines Herstellers:
- „Es geht um Leben und Tod!“ – Hier meinen wir (natürlich!) den Kolumnentitel (kleine Überschriften im Kopftitel einer Seite).
- „Ich hab hier etwas Passerschwankungen.“ – Bei Passerschwankungen geht es um Maßabweichungen. Kann aber auch schonmal auftreten, wenn die Hose nicht ganz passt. 😉
- „Antiqua ich wähle dich!“ – Nein, hier ist kein Pokemon gemeint, auch wenn es sich vielleicht so anhört. Die Antiqua ist eine Schriftart mit Serifen (kleinen Strichen an Enden der Buchstaben).
- „Na, wurdest du auch beschnitten?“ – Manchmal reden wir eben auch mit unserem fertigen Buch … und ich meine hier WIRKLICH nur Papier, dass hier beschnitte wurde!
- „Lass uns mal ’ne Blaupause machen“ – Auch wenn es manchmal so scheint, Hersteller sind in ihrer Pause nicht immer (nur manchmal) betrunken. Blaupausen dienen zur Kontrolle der Druckdaten.
- „Das ist mir zu viel Fleisch.“ – Hersteller zeichnen sich nicht durch vermehrten oder verringerten Fleischkonsum aus. Aber bei Typographie ist es uns dann manchmal doch zu viel oder zu wenig Fleisch. Hier ist übrigens der Freiraum um Buchstaben gemeint.
- „Ich will einen größeren Fußsteg!“ – Grundsätzlich brauchen Hersteller genau soviel Platz beim laufen wie andere Menschen, auch wenn das einen anderen Anschein macht. Beim Fußsteg ist aber tatsächlich nur der untere Abstand zwischen Text und Seitenende gemeint.
- „Pass auf den Blitzer auf!“ – Ja, auch beim Blitzer auf der Straße sollte man Vorsicht walten lassen, doch hier ist was anderes gemeint. Wenn Hersteller von Blitzern reden, dann meinen sie eine unbedruckte weiße Stelle zwischen zwei Flächen oder Bildern. Das sollte allerdings vermieden werden.
- „Guck dir die Butze an.“ – Auch wenn manche Hersteller Plattdeutsch reden können, hier ist keine Wohnung gemeint, sondern ein kleinen hellen Fleck auf einem Druckprodukt, der durch Verunreinigung verursacht wurde.
Fakt 7: Hersteller sind extreeeem penibel. Hier wird millimetergenau gearbeitet! Da kann es schonmal vorkommen, dass wir genüsslich aufseufzen, wenn ein Bild oder ein Textkasten exakt an einer Hilflinie ausgerichtet ist. Dieses Gefühl, wenn alles magnetisch an die Linien andockt und sich alle Komponenten einer Seite nach dem „Goldenen Schnitt“ ausrichten … Herrlich!
Fakt 8: Um Hersteller zu werden, muss einem das Klugscheißer-Gen angeboren sein. Oh ja, wer einen Hersteller kennt, weiß wovon ich rede. Da wird dann immer wieder mit Worten wie Proofs, Altarfalz, Schnabeln und Bindearten um sich geworfen. Ohne Rücksicht auf geistige Verluste!
Fakt 9: Die größte Hass-Liebe der Menschheitsgeschichte ist wohl die von Herstellern und ihren Adobe Programmen wie InDesign, Photoshop und Illustrator. Um das genauer zu erklären müsste ich groß ausschweifen. So viel sei gesagt: So umfangreich und genial diese Tools auch sind, manchmal kann man einfach nur verzweifeln. Vor allem, wenn die Hilfeseite von Adobe mal wieder die „unhilfreichste“ Webseite auf Erden ist.
Fakt 10: Solltet ihr einen Hersteller einmal glücklich machen wollen, gebt ihm einfach einen Fadenzähler. Der Fadenzähler ist eine kleine Art von Messlupe und mit ihm können Druckprodukte genauestens untersucht werden. Mit einem Fadenzähler können beispielsweise die Druckpunkte gesehen werden. Hersteller + Fadenzähler + Druckprodukt = Glücklicher Hersteller, der lange beschäftigt ist. Oh ja, dass macht Spaß!
Fun Fact: Wer genau hinsieht, dem fällt natürlich auf, dass ich die richtigen Gedankenstrich statt den (falschen!) Minuszeichen verwendet habe. Typisch Hersteller eben! ;D
Es grüßt die Typogräfin Fay
Liebe Leser, dies ist kein Beitrag, den man für voll nehmen sollte. Ein bisschen Spaß im Leben muss immer sein. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Außerdem einen riesen Dank an meine liebe Hersteller-Freundin und Mediapublishing-Schwester Vanessa von Das Bücherbuch für ihre grandiose Hilfe und die genialen Hersteller-Gespräche! 😉
Hallo Fay,
ich habe herzhaft schmunzeln müssen.
In meinem Studium Technische Redaktion wurde auf Druckvorstufe und Layout auch sehr viel Wert gelegt, z.B. zählte auch zur Diplomarbeit hinzu, wie das Layout aussah. Auch bei meiner Arbeit zählt es ein bisschen dazu; man bemüht sich zumindest, keine groben Schnitzer zu machen (Comic Sans … ein Alptraum) und ein wohlgefälliges Design zu verwenden. Also „schön“ wird es aber nicht, da ich lediglich technische Handbücher schreibe und da der Anspruch natürlich ein anderer ist.
Vielen Dank für diesen Einblick!
Daniela
Liebe Daniela,
danke! Ja, es macht auch wirklich Spaß darüber zu schreiben und sich selbst auch ein bisschen auf die Schippe zu nehmen. 🙂
Liebe Grüße,
Fay
Huhu!
Hihi, ich kann mich nur noch vage an das erinnern, was ich 1996 und 1997 in der Buchhänderschule in Frankfurt über Herstellung gelernt habe – deswegen ist es schön, einen kleinen Einblick zu bekommen!
Aber ich liebe Relieflack und Heißfolienprägung auch als nicht-Herstellerin und Ex-Buchhändlerin. 🙂 Und ich mag die Schriftart Antiqua. Obwohl im Moment Merriweather meine Lieblingsschrift ist.
Bei Fakt 6 musste ich gerade daran denken, wie sich eine Freundin von mir vor der Prüfung gemerkt hat, was Serifen sind – sie hat in dem Aufenthaltsraum des Wohnheims, den wir für uns in Beschlag genommen hatten, auf dem Tisch gesteppt und dazu gesungen: „Denn Serifen siiiiiiinnnnddd… Strichelchen! Strichelchen! Strichelchen!“ Als die Frage „Was sind Serifen?“ tatsächlich drankam, mussten wir so lachen…
Ich habe deinen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt!
LG,
Mikka
P.S.: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich in meiner Antwort nur Minusstriche statt echte Gedankenstriche gesetzt habe – ich gelobe Besserung! 😉
Hallo liebe Typogräfin Fay,
hahhaha also deinen Bookstagram-Fact-Beitrag fand ich ja schon genial, aber der hier ist noch besser!
Fakt drei fand ich ja schon super, aber die Formulierungen von Fakt sechs sind der absolute Hammer! Und so lehrreich! 🙂
Tja und dreimal darfst du raten, wer nach dem Fun Fact nochmal schnell hochgescrollt hat, um es zu überprüfen – das Klugscheißer- und Perfektionisten-Gen habe ich auf jeden Fall schonmal. *lach*
Herzliche Grüße,
Kathi